Nürnberger Nachrichten: »Mädchen wehren sich«

Mehrere Projekte fürchten schleichende Schließung

Die Mitarbeiterinnen mehrerer Mädchen- und Ausländerprojekte schlagen vor der heutigen Sitzung des Jugendhilfe- und Sozialausschusses Alarm: Durch die geplanten Kürzungen sehen sie ihre Arbeit massiv gefährdet. Vor allem der Mädchentreff fürchtet eine »schleichende Schließung«.

Seit fast 25 Jahren ist das ehemalige Schulhaus in St. Leonhard eine offene Anlaufstelle für die Mädchen aus dem Stadtteil. 35 Sechs- bis 13-Jährige treffen sich hier täglich zum Mittagsimbiss, machen unter Anleitung Hausaufgaben oder spielen mit ihren Freundinnen. Vor allem aber üben sie sich im Umgang mit Lötkolben und Schweißgerät, nehmen PCs auseinander oder bauen Solarobjekte, um möglichst früh die unterschiedlichsten Berufsfelder kennenzulernen. Auf diese Weise wollen die Mitarbeiterinnen die Chancen der Heranwachsenden verbessern.

»Mädchen schränken sich bei der Berufswahl noch immer viel zu sehr ein«, sagt Annette Pilotek vom Leitungsteam. Doch dieses Konzept ist aus Sicht des Vereins jetzt in Gefahr. Der Grund: Die Einrichtung soll zumindest teilweise in einen »Hort plus« umgewandelt werden und damit Fördergelder des Freistaats erhalten. Die Stadt würde auf diese Weise 37 500 Euro sparen. Doch Pilotek bezweifelt, dass der Verein seine Arbeit dann fortsetzen könnte. Noch sei nicht einmal geklärt, ob ein reiner Mädchenhort überhaupt zulässig ist, sagt die Sozialpädagogin, die nur zufällig erfuhr, dass die Umwandlung heute schon beschlossen werden soll. Sie fühlt sich von der Stadt »überfahren«. Außerdem ließen sich mit den staatlichen Zuschüssen nur Erzieherinnen bezahlen – beim Mädchentreff arbeiten ausschließlich (teurere) Sozialpädagoginnen. Überdies fürchtet Pilotek um das offene niedrigschwellige Angebot des Treffs, vor allem, wenn in den kommenden Jahren weitere Sparrunden drohen.

Ähnliches erlebt gerade der Verein Degrin, der schon seit 2007 eine Hortgruppe anbietet – und jetzt auf 25 000 Euro von der Stadt verzichten soll, wie Thi Ly Nguyen beklagt. Von weiteren Kürzungen sei zuvor nie die Rede gewesen, sagt die Sozialpädagogin. Degrin bietet unter anderem Hausaufgabenhilfe, offene Gruppen und Deutschkurse für Erwachsene an und sei »viel mehr als ein Hort«, so Nguyen. »Die angedrohte Kürzung gefährdet unsere Arbeit existenziell.« Ähnlich sieht es Özlem Öz vom Internationalen Frauen- und Mädchenzentrum in Gostenhof, das ebenfalls zur Hort-Plus-Einrichtung werden soll. Bei einer Umwandlung in einen Hort »bleiben alle ab der fünften Klasse auf der Strecke«, klagt Öz.

Sozialreferent Reiner Prölß weist die Kritik zurück. Er sei zuversichtlich, dass die Mädcheneinrichtungen auch reine Mädchenhorte betreiben und damit ihre Arbeit fortsetzen könnten, sagt Prölß. »Dieser Schwerpunkt soll auf jeden Fall gesichert sein.« Das Hort-plus-Konzept sei ein Weg, Landesmittel zu akquirieren und gleichzeitig die städtischen Sparvorgaben zu erfüllen. »Die eigentliche Arbeit soll fortgeführt werden.«

Silke Roennefahrt
Stop
Sie fürchten um das offene Haus in St. Leonhard: Die Besucherinnen des Mädchentreffs sind mit den städtischen Sparplänen überhaupt nicht einverstanden. Foto: Anna Schneider